Grüne in Warstein
Kurzhistorie der WAL
von Werner Braukmann
Heldengeschichten aus Zeiten der Bewegung – Großvater erzählt – ach, die gute alte Zeit ...
Klar, das ist immer ein Reiz (aber eigentlich nur für den Erzähler selbst; für Leser/Hörer höchstens, wenn gut erzählt wird). Aber darum soll es im Folgenden nicht gehen. Es kommen nur immer wieder diese Fragen auf, was es mit der WAL auf sich habe,
was das denn für eine politische Gruppe sei und wie zu verorten?
Nun denn, dann will ich‘s mal zu erklären versuchen ...
Kulturverein "Sowieso" - Wie alles begann
Ende der 70er Jahre gab es in Warstein eine recht lebendige, breite links-alternative Szene. Man traf sich zumeist
im Haus Howake (dem früheren Falken-Heim): Kriegsdienstverweiger, Frauengruppe, Amnesty International,
Arbeitskreis Jugend, dabei etliche junge SPD-Leute und Jusos.
Nun formierte sich dort – also wir, vor allem wohl Paul Köhler, Wolfgang Landfester und ich formierten – eine weitere Gruppe heraus, dezidierter politisch – mit Sympathien für die neue Oppositionskraft, die Grünen. Solten wir für diese neue Partei eine Warsteiner Ortsgruppe aufmachen? Ich glaube, ich liebäugelte mit dieser Idee. Aber Paul Köhler gab zu bedenken: „Dann müssten wir ja bei jedem gefällten Baum eine Presseerklärung herausgeben!“
So gründeten wir erst einmal einen „politisch-kulturellen Verein“ namens „Sowieso“. Überhaupt erst einmal eine links-alternative Öffentlichkeit herstellen! Und mit einer Alternativzeitung „Abseits“, mit „Republi(c)kanischen Abenden“, mit überaus erfolgreichen „Spätsommerfesten“ sowie Theater/Kabarett-Fahrten machte sich eine neue politische Bewegung, man könnte auch sagen:
Kraft, deutlich bemerkbar.
Die Brauereitalsperre - David gegen Goliath
Die Warsteiner Brauerei plante ab Ende der 70er Jahre eine Talsperre im Langenbachtal, um den wachsenden Bedarf an dem Wasser aus dem Langenbachtal decken zu können. Die Brauerei hat aus frühen Zeiten ein Wasserrecht auf eine bestimmte Menge dieses wunderbar weichen Waldbodenwassers, aber der Bach hat ja bekanntlich nicht immer den gleichen Wasserstand.
Die Verstetigung des Dargebots durch einen Wasserspeicher würde dem Unternehmen den Zukauf von städtischem Wasser ersparen sowie die aufwändige Enthärtung.
Diese Talsperr sollte eine gewaltige Größe haben: einen halben Kilometer lang, 100 Meter breit vor dem Damm, der 27 Meter hoch werden sollte (genauso hoch wie das Brauereihochhaus im Stadtzentrum, das 1982 gesprengt wurde).
„Toll, ein See für Warstein!“, so freute sich manch eine/r. Doch die Talsperre hätte keinen öffentlichen Zugang gehabt und wäre gerade in sommerlichen Zeiten ziemlich leer gelaufen. Hinzu kam eine raffinierte Idee: Die Talsperre sollte ein Kooperationsprojekt mit dem Kreis Soest sein, sozusagen im „Huckepack“ war etwa ein Drittel des Volumens für den Hochwasserschutz vorgesehen,
musste also immer „frei“ bleiben.
Wie gründeten gegen diesen Plan eines ökologisch unnützen Flächenverbrauchs eine Bürgerinitiative und traten damit in der Fernsehsendung „Mittwochs in Warstein“ überraschend an die Öffentlichkeit. David gegen Goliath.
Wir kritisierten Rat und Verwaltung, die die Notwendigkeit des Projekts gar nicht richtig geprüft hätten. So wurde in den Antrag beispielsweise von einem Wasserbedarf von 6 Litern pro einem Liter Bier ausgegangen! Wir legten ein Gegengutachten vor: 2,5 Liter!
Überraschend trat die von uns eingeschaltete Landesregierung auf den Plan und Landesumweltminister Matthiesen stoppte das Vorhaben (weil er Kandidat in Dortmund sei, wo die Brauereikonkurrenz sitze, wurde dann gesagt.)
Wow, das hatte es noch nie gegeben: dass der damals großen und mächtigen Brauerei ein Vorhaben versagt wurde!
Die Gründung - "Ihr kommt nicht rein!"
Man sieht doch am Beispiel der Bürgerinitiative zur Brauereitalsperre, so sagten wir uns, wie wichtig eine
neue politische Kraft in Warstein wäre. Eine richtige Opposition täte Not!
Aber so recht Lust auf eine Parteigründung, also einer Ortsgruppe der Grünen, kam nicht auf. Bei aller Sympathie. Dann sind wir hier die Vertreter einer Partei, sagten wir uns, werden an ihrem Programm und Auftreten gemessen, gehen also sozusagen mit den grünen Vorstellungen und Prinzipien daran, ein spezifisches lokales Programm für Warstein zu erstellen? Das können wir doch viel besser selber!, meinten wir eigensinnig, wir kommen alle aus Warstein, kennen die Verhältnisse, brauchen diese nicht aus dem Parteiprogramm der Grünen abzuleiten, brauchen keine übergeordneten Strukturen.
Hinzu kam, dass es noch recht starke Vorbehalte, nicht zu unrecht, gegen manche Vorstellungen und Aktionen der Grünen gab, warum sollten wir diese Nachteile in Kauf nehmen? Besser eine lockere Kooperation – als Grünen-nahe eigenständige lokale Wählergemeinschaft!
Überdies war in Warstein der lokale (!) Wahlkampf oft mit Bundesthemen (!) geführt worden. Da ging‘s eher um Ostpolitik als um das Knödler-Zentrum (den geplanten Bau eines Einkaufszentrums auf dem Gelände des ehemaligen Brauereihochhauses). Wir traten nun – es gab im Rat nur die CDU und die SPD – mit spezifisch lokalen Themen auf den Plan, zudem ziemlich frech. Und nannten uns ganz nüchtern „Warsteiner Liste“ – WAL (was oft leider als „Alternative Liste“ übersetzt wurde, denn „alternativ“ war inzwischen ein inflationär gebrauchter, also nichtssagenden Begriff).
Noch am Vortag der Wahl, bei einem Fototermin, meinte Otto Schmallenberg von der „Westfälischen Rundschau“ zu mir, im Brustton der absoluten Zukunftskenntnis: „Ihr kommt nicht rein!“ - Es wurden 12,8 Prozent! Nur in Uni-Städten erzielten Grüne manchmal solche Ergebnisse. Das war ein sensationeller Überraschungssieg!
Fünf Sitze im Rat, und die sonst dominierende CDU hatte nur noch einen Sitz Vorsprung vor einer noch ärger geschrumpften SPD und der WAL.
Das sollte heiter werden …(Fortsetzung folgt)